Pfadnavigation

Eine Chance für Alle – Umsetzung von Teilqualifikationen in Justizvollzugsanstalten

Bild TQs in JVAs

© Getty Images

Inhaftierte in Justizvollzugsanstalten (JVAs) haben oft keinen Schul- oder Berufsabschluss. In vielen JVAs können diese daher über Bildungsprogramme nachgeholt werden, den Inhaftierten wird so die Chance gegeben sich durch Bildung neue Perspektiven zu schaffen. Einige IHKs bieten gemeinsam mit JVAs den Inhaftierten Teilqualifikationen als Qualifizierungsmöglichkeit an. Die IHK Südlicher Oberrhein, die IHK Gera oder auch die IHK Mittlerer Niederrhein arbeiten mit den JVAs in Freiburg, Tonna und Willich zusammen, um die dort Inhaftierten beruflich zu qualifizieren.

Die Qualifizierungsmaßnahme wird dabei nach den bundeseinheitlichen Standards der IHKs durchgeführt, auch wenn es einige Herausforderungen in der Umsetzung vor Ort gibt:  Die Strafgefangenen können sich in der JVA nicht frei bewegen, es gibt festgelegte Schließzeiten und besondere Sicherheitsvorschriften. Andere Herausforderungen für die Umsetzung von Teilqualifikationen sind kurzfristige Verlegungen oder Abschiebungen der Inhaftierten, sodass diese nicht mehr an der Maßnahme teilnehmen können. Obwohl es diese Herausforderungen geben kann, entspricht die Umsetzung von TQs in den JVAs dem Ablaufplan einer Teilqualifizierung. Auch in den JVAs übernehmen die IHKs die Durchführung der Kompetenzfeststellungen und die Ausstellung von IHK-Zertifikaten nach erfolgreichem Bestehen. Nach Abschluss aller TQs können die Inhaftierten zur Externenprüfung, der Abschlussprüfung der IHK, zugelassen werden. Lerneinheiten, theoretisch wie praktisch, sowie die Kompetenzfeststellungen (KF) finden in der JVA statt. Aufgrund der Gegebenheiten werden die schriftlichen KF nicht digital durchgeführt.


Fokus abschlussorientierte Ausbildung in der JVA Tonna

In der JVA Tonna werden Teilqualifizierungen durch das Projekt B.I.S.S (Berufliche Bildung und Integration Strafgefangener und Entlassener) umgesetzt. Das Projekt wird durch den Europäischen Sozialfond (ESF) gefördert und vom Land Thüringen kofinanziert. Priorität hat dabei eine abschlussorientierte Ausbildung. Ebenso sollen die Inhaftierten erfolgreich und nachhaltig in die Gesellschaft (re-) integriert werden, beruflich wie sozial. Da in der JVA Tonna überwiegend lange Strafen verbüßt werden, haben die Gefangenen genug Zeit, um eine Teilqualifizierung abzuschließen. TQs können dort in den Berufsfeldern Gastronomie, Elektro und Metall absolviert werden. Im Bereich Gastronomie können sich die Inhaftierten als Koch oder Fachkraft Küche qualifizieren lassen. Das Berufsfortbildungswerk (bfw), welches die Qualifizierungsmaßnahme in der JVA umsetzt, verfügt über entsprechende Werkstätten, sowie eine vollausgestattete Küche und ein Übungsrestaurant. In den verschiedenen Ausbildungsbereichen lernen die Gefangenen in Gruppen, die aus durchschnittlich neun bis 15 Teilnehmern bestehen.

Die Maßnahme in der JVA ist erfolgreich: Auch in diesem Jahr werden wieder Teilnehmenden die Abschlussprüfung bei der IHK ablegen und bei Bestehen einen Berufsabschluss erwerben.


Teilqualifikationen als sinnvolle Ergänzung in der JVA Freiburg

In der JVA Freiburg liegt der Schwerpunkt nicht nur auf der Schulbildung, sondern auch auf der Berufsausbildung. Teilqualifikationen ergänzen das Ausbildungsprogramm der JVA: Sie bietet die Maßnahme im Bereich Metall, ebenso in der Holzverarbeitung und im Lager an. Durch kürzere Haftzeiten kann oftmals nicht der komplette Beruf ausgebildet werden, daher bietet die JVA neben Vollausbildungen auch Teilqualifikationen an, wodurch die Inhaftierten die Grundlagen in den entsprechenden Berufen erlernen.

Die Inhaftierten können sich auf die Maßnahme bewerben und ein Gremium, u. a. bestehend aus den AusbilderInnen, LehrerInnen, PsychologInnen und VollzugsleiterInnen, prüft dann die Eignung der Bewerbenden. Ausschlaggebend für die Zulassung zur TQ-Maßnahme sind die Haftzeit, Bildungsstand, Motivation oder Haftverhalten. Der Fokus liegt auf der Wiedereingliederung in die Gesellschaft.

Die IHK Freiburg arbeitet flexibel mit der JVA zusammen: Die Kompetenzfeststellungen finden vor Ort statt, das theoretische und praktische Wissen wird anhand eines Bewertungsbogen bzw. anhand von Bildern durchgeführt und abgefragt. Einige inhaftierte Personen werden abgeschoben oder versetzt, hier versuchen die JVA und die IHK dieser Person dennoch eine Kompetenzfeststellung zu ermöglichen, indem sie die Lerninhalte entsprechend anpassen. Ebenso kann sich eine TQ, für die eine Zeit von sechs Monaten vorgesehen ist, aufgrund von den Gegebenheiten in der JVA auf sieben oder acht Monate verlängern. Im Lager findet die Warenannahme zudem nur an drei Tagen statt und da die Inhaftierten nicht in einem anderen Lager auf dem Gelände arbeiten können, wird der Lehrplan entsprechend angepasst. Das Instrument der Teilqualifizierung ermöglicht diese flexible zeitliche Planung.


Erfolge in kurzer Zeit in der JVA Willich II

Seit Oktober 2023 bietet die JVA Willich II ihren Insassinnen Teilqualifizierungen im Beruf Kauffrau für Büromanagement an. Bisher haben elf Teilnehmerinnen erfolgreich an der TQ 1 teilgenommen und erhielten das IHK-Zertifikat über die erworbenen Kenntnisse. Die Erfolgsquote liegt bisher bei 100 Prozent. Durch die Teilqualifizierung erleben die Inhaftierten Erfolge und die Teilnahme und das Lernen von beruflichen Kompetenzen stärkt das Selbstwertgefühl.

Alle Inhaftierten können nach einer TQ die Kompetenzfeststellung ablegen und erhalten bei Bestehen ein IHK-Zertifikat über ihre Kenntnisse. So haben diese Personen direkt einen verwertbaren Nachweis über ihre Kenntnisse für den Arbeitsmarkt und einen ersten Schritt Richtung Berufsabschluss gemacht.